Eine demokratische Gesellschaft muss sich immer wieder aufs Neue heranbilden und sich stets an die gemeinsame Grundlage erinnern. Extremistische Einstellungen gefährden diese sich stetig entwickelnde Demokratie. Aber wie entstehen diese (rechts-)extremistischen Einstellungen? Dafür existieren vielfältige Erklärungsansätze:
Zum einen können individuelle Ursachen, wie Persönlichkeitsstruktur, Peers & Familie, (soziale) Medien, Geschlecht, sozioökonomischer Status, aber auch negative Partizipationserfahrungen bei den einzelnen Personen eine Rolle spielen. Zum anderen existieren gesellschaftliche Ursachen. Neben der politischen Kultur, tradierten Einstellungsmustern und Subkulturen sind kollektive Deprivationswahrnehmungen eine mögliche Ursache. Das bedeutet, dass Menschen das Gefühl haben, nicht in die Gesellschaft mit einbezogen zu werden, beziehungsweise benachteiligt zu sein. Dieses kollektive Gefühl kann sich über Generationen weitertragen und so auch junge Menschen beeinflussen. In Hinblick auf diese möglichen Ursachen müssen wir insbesondere auf die aktuelle Situation junger Menschen in den letzten Jahren blicken.
Junge Menschen sind mit einer Krisenverdichtung in ihrer Lebenswelt konfrontiert. Der Klimawandel, Krieg in Europa, eine gefühlte Spaltung der Gesellschaft und Inflation bereiten jungen Menschen Sorgen[1]. Die Pandemie hat die Situation von jungen Menschen noch verschärft. Sie fühlen sich unsicherer im Umgang mit Menschen, haben Zukunftsängste und Geldsorgen und die psychische Belastung ist bei 46% der Jugendlichen gestiegen[2]. Viele erwachsene Menschen nehmen diese Sorgen ernst und versuchen junge Personen in ihrer Lebenswelt zu unterstützen. Blicken wir auf die Wahrnehmung der Jugendlichen selbst, lässt sich jedoch feststellen: Knapp 70% stimmen der Aussage „Die Situation von jungen Leuten ist den Politiker:innen wichtig“ gar nicht oder eher nicht zu[3]. Viele Jugendliche haben sich in der Pandemie rücksichtsvoll verhalten, wurden in der öffentlichen Diskussion aber oft als Problem und Pandemietreiber:innen dargestellt. Dabei kamen die Jugendlichen selbst wenig zu Wort, Entscheidungen wurden in Ministerien getroffen und die Perspektive der Jugendlichen wurden nicht miteinbezogen. Im 16. Kinder- und Jugendbericht heißt es dazu: „Das Recht junger Menschen auf Gehör, Beteiligung und Mitwirkung wurde in der Krisenzeit kaum gewährleistet. „Zu Beginn der Akutsituation war das vielleicht nicht möglich, spätestens mit Beginn der Lockerungen hätten Kinder und Jugendliche jedoch eingebunden werden müssen“[4]. Auch die dritte Studie Jugend und Corona zeigt, dass 60% der Jugendlichen das Gefühl haben, generelle politische Entscheidungen nicht beeinflussen zu können. Dieses Gefühl des Nicht-Wahrgenommen- und Nicht-Eingebundenseins kann also demokratiegefährdend sein. Partizipation als Bildungs- und Strukturprinzip ist daher für den politischen Bildungsprozess notwendig. „Neben strukturellen Bedingungen, die die Politik schaffen muss, um das Recht auf Beteiligung, welches in Artikel 12 UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben ist, umzusetzen, ist es entscheidend, dass Pädagog:innen die Erfahrungen mit den Jugendlichen reflektieren und ihnen Möglichkeiten zur Beteiligung aufzeigen.
Demokratinnen und Demokraten fallen nicht vom Himmel. Positive Partizipationserfahrungen sind ein Faktor zur Prävention vor extremistischen Einstellungen. Pädagoginnen und Pädagogen können dabei unterstützen, dass gelingende Partizipationserfahrung von Kindern und Jugendlichen gemacht werden. Sie nehmen hiermit eine wichtige Rolle in der Bildung einer demokratischen Gesellschaft wahr.
- [1] Trendstudie Jugend in Deutschland – Sommer 2022 „Die Sorgen junger Generationen“
- [2] Trendstudie Jugend in Deutschland – Sommer 2022 „Die häufigsten psychischen Belastungen junger Menschen“
- [3] Jugend und Corona (JuCo) III, S. 13
- [4] 16. Kinder- und Jugendbericht, S. 70