Verständigung – vom Umgang miteinander

von Matthias Mehner

Um 5:30 Uhr klingelt der Wecker. Peter steht auf und lächelt seine Frau an. „Ich mach schon mal Kaffee“, sagt er leise. Sabine streichelt ihn kurz, bevor sie sich noch einmal herumdreht. Um 6:00 Uhr wird auch sie aufstehen, um die Kinder für die Schule zu wecken. Ob die Kinder auch so liebevoll reagieren werden? Am Frühstückstisch ist dann Trubel wie jeden Morgen: die kleine Nina plappert schon frühmorgens wie ein Wasserfall. Julia – die mittlere – liest sich schnell noch mal das Kapitel über Photosynthese durch, während Paul – der älteste - noch gar nicht auf der Bildfläche erschienen ist. Peter wiederum hält seine Tasse fest und blickt stumm und nachdenklich in den Kaffee.
Gespräch zwischen Trainern
Verständigung – vom Umgang miteinander

Eine Situation, wie wir sie alle wahrscheinlich in ähnlicher Form kennen oder uns gut vorstellen können. Überall, wo Menschen sich begegnen wird kommuniziert. Egal ob dabei gesprochen wird oder nicht. Wie schon Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht-kommunizieren“. Neben der eigentlichen Sprache als Grundlage der Kommunikation, kann auch ein Blick, eine Geste und das gezeigte Verhalten eine Wirkung entfalten und für andere eine mehr oder weniger klare Botschaft vermitteln. Häufig jedoch können dabei schnell Missverständnisse entstehen, weshalb es Sinn ergibt, sich klar und unmissverständlich den anderen mitzuteilen. „Gute“ Kommunikation ist damit der Schlüssel, Andere besser zu verstehen und für ein wertschätzendes Miteinander. Das betrifft sowohl die Familie als auch die Mitarbeitenden auf dem Hof oder KollegInnen bei der Arbeit. Was aber macht „gute“ Kommunikation eigentlich aus? Ein paar Grundregeln sind hilfreich, um sich im Dschungel der Missverständlichkeiten auszukennen und zu navigieren.

Grundregel Nr. 1: Gedacht ist noch nicht gesagt

Unser Gegenüber kann unsere Gedanken und Meinungen nur schwer erahnen. Wir müssen sie äußern. Und ebenso müssen wir von unserem Gegenüber herausbekommen, was dieser denkt und fühlt. Peter z.B. könnte kurz erläutern, dass er sich ärgert, dass die nicht-Behandlung mehrerer Schweine gestern sich nun ausgebreitet hat. Sabine kennt ihren Mann gut und weiß, dass er seine „Abwesenheit“ braucht, um seine Gedanken zu ordnen. Seine Kinder jedoch sehen nur den abwesend wirkenden Vater. Sicher würde es Ihnen helfen, wenn er seine Sorgen kurz erläutert, so könnten sie Mitgefühl äußern oder verstehen, warum er gerade nicht gesprächig ist.

Gerade komplexe Fragestellungen über bestimmte Betriebsentwicklungen oder auch Generationenfragen drehen sich häufig in den Köpfen der Beteiligten und werden zu wenig besprochen. Aber auch alltäglichere Dinge, die uns beschäftigen werden häufig zu wenig mitgeteilt.

Tipp: Richten Sie regelmäßige Zeitfenster des Austausches und des Gespräches ein, bei denen jede Person zu Wort kommt und sich mitteilen kann. Das können gemeinsame Mahlzeiten in der Familie sein und auch regelmäßige Gespräche mit den Mitarbeitenden. Je regelmäßiger die Termine sind, desto kürzer können sie häufig sein und desto selbstverständlicher ist es, dort ein Thema anzubringen. Ein klarer Ablauf bzw. klare Fragen helfen, Hürden im Gespräch zu minimieren. Das gilt auch für Gespräche mit den Mitarbeitenden.

Grundregel Nr. 2: Gesagt ist noch nicht gehört

Wenn wir etwas aussprechen, ist noch nicht sicher, dass unser Gegenüber dies auch hört. Entweder weil er oder sie nicht zuhört oder weil Emotionen im Spiel sind, die richtiges Zuhören verhindern. So hört Julia nicht, wie ihre Mutter sie schon zweimal angesprochen hat. Julia versucht noch schnell die letzten Formeln der Photosynthese auswendig zu lernen und ist deswegen stark konzentriert. Sabine weiß, sie sollte sich erst an den Tisch setzen, Blickkontakt aufnehmen und sicherstellen, dass ihre Worte auch wirklich gehört werden.

Auch im alltäglichen Miteinander geschieht es immer wieder, dass wir uns Dinge sagen, aber nicht darauf achten, dass der andere auch wirklich zuhört. Ein durch den Flur gerufenes: „Morgen sind wir übrigens bei den Nachbarn eingeladen, denk bitte daran, noch ein Präsent zu organisieren!“ ist keine Garantie, dass dies wirklich beim Empfänger ankommt. Auch der Zuruf an Klaus, noch die erkrankten Schweine zu behandeln ist im Lärm des Futtermischers wohl untergegangen.

Tipp: Achten Sie darauf, dass Ihr Gegenüber im Dialog auch mit Gestik und Mimik signalisiert, dass er gehört hat, was Sie sagen.

Grundregel Nr. 3: Gehört ist noch nicht verstanden

„Ich dachte das reicht morgen noch“, sagte Klaus zu Peter vorhin bei Arbeitsantritt.

Solche Situationen treten häufiger im beruflichen Kontext mit Mitarbeitenden auftauchen, wenn nicht genügend gut erklärt wird, wofür bestimmte Arbeiten sinnvoll sind, oder welches Gesamtziel erreicht werden soll (schneller oder qualitätsvoller). Je besser der Empfänger die Bedeutung einer Botschaft verstanden hat, desto besser kann er darauf eingehen. Der Chef bzw. die Führungskraft ist immer mehr dafür verantwortlich, dass die Aufgabenerläuterung richtig ankommt, als der Mitarbeitende, der den Auftrag erhält.

Tipp: Fragen Sie nach, ob Sie richtig verstanden wurden. Wie auch im privaten Kontext hilft es, die Bedeutung einer Botschaft dadurch zu unterstreichen, dass Sie Interessen und Ziele, aber auch Gefühle und Bedürfnisse mitteilen und so erläutern warum Ihnen etwas wichtig ist.

Grundregel Nr. 4: Sach- und Beziehungsebene differenzieren

„Ich habe keine frischen Socken mehr!“, poltert Paul, der mittlerweile auf der Bildfläche erschienen ist.

Aus dem Modell „4-Seiten-einer-Nachricht“ von Schulz-von Thun wissen wir, dass diese Botschaft mehrere unterschiedliche Ebenen enthält, die jeder von uns unterschiedlich interpretieren kann. Neben der reinen Sach-Botschaft, offenbart Paul, dass er sich möglicherweise ärgert darüber und gleichzeitig auch von seiner Mutter erwartet, dass sie ihm (sofort!) frische Socken waschen soll. Sabine gleichzeitig könnte sich als Empfängerin der Botschaft angegriffen fühlen und gleichfalls ärgerlich reagieren. Da sie aber klug ist und eine Menschenkennerin zugleich, steigt sie nicht auf das Konfliktangebot ein, sondern sortiert die Botschaft in verschiedenen Ebenen und ruft ihrem Ältesten zu, dass noch frische Socken in der Waschküche zu finden sind. Gleichzeitig nimmt sie sich vor, am Abend darüber in Ruhe ein kleines Gespräch mit Paul zu führen.

Tipp: Übung zu Empfangsgewohnheiten

Gute Kommunikation hat viel mit Selbstreflexion zu tun. Daher ist es wichtig, die eigenen Empfangsgewohnheiten (Sach-Ohr/Apell-Ohr/ Beziehungs-Ohr) zu kennen und ggf. aktiv zu verändern. Denken Sie einmal für einige Augenblicke über folgende Fragen nach:

  • Habe ich ein Lieblingsohr? Welches ist das? Fragen Sie auch einmal andere Menschen, wie diese Ihre Empfangsgewohnheiten wahrnehmen.
  • Lasse ich mir ausreichend Zeit, um zu antworten? Wenn ich sehr schnell mit der Antwort bin, fehlt mir die Zeit, mit allen vier Ohren zu hören. Mein Lieblingsohr wird immer die Oberhand behalten.
  • Höre ich wirklich dem anderen zu?
  • Frage ich nach, was die andere Person gemeint hat, wenn etwas unklar ist?

Grundregel Nr. 5: sich der Körpersprache bewusst sein

Sabine stemmt die Hände in die Hüften und ruft Paul zu, dass noch Socken in der Waschküche zu finden sind. Schweigend und ohne ein Danke rauscht Paul davon. Wir wissen: man kann in einem Gespräch nicht ohne Körpersprache kommunizieren. Auch Schweigen ist ein kommunikativer Akt. Klang der Stimme, Betonung, Lautstärke, Melodie, Tempo und Klangfarbe sind Informationen ebenso wie, Gesichtsausdruck, Blick, Verhalten im Raum, Körperhaltung und Gestik. Das bedeutet: erst die Gesamtheit von Wortwahl, Sprechausdruck und körperliche Signale ergeben ein Gesamtbild. Harmlose Worte z.B. können abschätzig klingen, wenn sie von entsprechenden körperlichen Signalen begleitet werden.

Tipp: Körpersprache lügt selten und drückt unsere momentane Empfindung aus. Sind körperliche Signale und Gesprochenes nicht zueinander passend, wird das körperliche häufig als glaubwürdiger wahrgenommen, als das gesprochene.

Grundregel Nr. 6: wertschätzende Sprache und Fragen verwenden

„Ich habe den Eindruck, Dir macht etwas Sorgen?“, Sabine kennt Ihren Mann gut und hat ihn die letzten 20 min in Ruhe gelassen. Nun möchte Sie wissen und verstehen, was ihn beschäftigt. Statt eines: „Was guckst du so grimmig?“ verwendet sie eine offene und wertschätzende Kommunikation. Sie verwendet eine Ich-Botschaft, anstelle einer vorwurfsvollen Du-Botschaft. Sie benutzt Worte, die auf Mitgefühl aus sind (Sorgen), anstelle von Angriff (grimmig). Sie beschreibt eine Wahrnehmung, anstatt bei Peter einen Gefühlszustand zu unterstellen. Neben dieser gewaltfreien Sprache ist es das aktive Zuhören und gute Fragen stellen, was eine Kommunikation besonders gelungen macht. Die Kinder sind mittlerweile alle unterwegs bzw. in der Schule. Sabine ist nun Peter zugewandt und „ganz Ohr“.

Tipp: Überlegen Sie doch einmal, wann Sie das letzte Mal einem wirklich guten Zuhörer begegnet sind bzw. wie gut Sie im Zuhören sind. Die folgende Checkliste gibt Ihnen eine kleine Orientierung an die Hand, um die eigene Kompetenz beim Zuhören zu überprüfen:

  • Unterbreche ich die Sprecherin, den Sprecher?
  • Lege ich meine Antwort bereits zurecht, während die andere Person noch spricht?
  • Spreche ich die Sätze des Gesprächspartners “für ihn“ zu Ende? (weil ich zu wissen glaube, was er sagen will)
  • Warte ich nur auf ein Stichwort, damit ich selber reden kann?
  • Ist es mir egal, ob ich verstehe, was die andere Person sagt und ich frage nicht nach?

Grundregel 7: Die Königsdisziplin: Feedback geben und nehmen

Beim Abendesssen sind alle um den Tisch versammelt. Hier ist Zeit, den Tag Revue passieren zu lassen und jeder kann über seine bereichernden Erlebnisse berichten oder seine Sorgen ansprechen, die jeden beschäftigen. Offene Fragen, die kein einfaches Nein oder Ja zulassen, führen dazu, dass alle ausgiebig am Gespräch teilnehmen. Nach dem Abendessen ohne Beisein der anderen, hat Sabine auch ein Feedback für Paul und sein Verhalten am Morgen: „Ohne ein ‚Guten Morgen‘ hast Du mit lauter und aufgeregter Stimme nach deinen Socken verlangt. In all dem Trubel, wo ich für alle Frühstück mache, fühlte ich mich angegriffen von deiner dringlichen Tonlage. Ich würde mir wünschen, dass Du etwas früher aus dem Bett kommst, um deine Sachen zusammen zu suchen, die du brauchst; außerdem lagen noch frische Socken in deinem Zimmer. Können wir vereinbaren, dass Du demnächst am Abend deine Sachen zusammensuchst, die du am nächsten Morgen benötigst?“

Tipp: Formulieren Sie Feedback am besten nach der WWW-Regel: Wahrnehmung (Beobachtung), Wirkung, Wunsch (für ein anderes Verhalten). Beachten Sie dabei, dass ihr Feedback:

  • beschreibend und nicht bewertend ist.
  • Konkret statt allgemein ist

Dieser Artikel ist erschienen in Badische Bauernzeitung (BBZ). Ausgabe 3/2021 vom 23.01.2021.

Der Autor

Matthias Mehner

Geschäftsleiter agrarcampus

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