Von der Idee zum Betriebszweig

von Matthias Mehner

Wenn Sie Ihren Betrieb weiterentwicklen oder gar auf ganz neue Beine stellen wollen, müssen Sie zunächst Ihre Stärken und Schwächen schonungslos analysieren. Auch die langfristigen gesellschaftlichen Trends müssen Sie einkalkulieren. Daraus können Sie dann einen richtig guten Plan schmieden. Matthias Mehner zeigt Ihnen, wie.

Nicht erst seit Corona müssen Landwirte stets über neue Betriebsentwicklungen nachdenken. Die Veränderungen in der Gesellschaft verlangen das ebenso wie Klimaveränderungen. Willkommen in der neuen “VUKA-Welt!”. »VUKA« steht für volatil-unsicher-komplex- ambiguid (doppeldeutig). Corona ist ein Paradebeispiel dafür, was passieren kann, was wir uns vor vier Monaten nicht hätten vorstellen und erahnen können. Die schlechte Nachricht dabei ist: Wie wollen Sie da in Ruhe planen und eine Richtung bestimmen? Unlösbar erscheint das “Problem” und viele von uns würden am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Die gute Nachricht: Es geht allen gleich. Und seit Charles Darwin wissen wir alle, dass nur der langfristig überleben wird, der sich am besten anpassen kann. Und überleben wollen alle Unternehmer. Gerade in einer Krise werden Unternehmer daher wach und sind besonders aktiv. Sie haben Ideen, wollen etwas vorantreiben, entwickeln, entscheiden, Neues aufbauen und Chancen wahrnehmen. Nur: was ist das Richtige für jeden einzelnen und wie finden Sie Ihren Weg?

1. Mit klarer Vision Nutzen bieten! Ein Unternehmen ist wie ein Spiegelbild der Unternehmerpersönlichkeit. Sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein, ist oberste Unternehmerpflicht: Welche Talente und Fähigkeiten machen Sie aus/besonders? Sind Sie der technische Tüftler und Erfinder, können Sie besonders gut mit Menschen umgehen oder sind Sie der super Organisator? Die nächste wichtige Frage lautet: Was macht Ihnen besonders Freude? Wo liegt Ihre Leidenschaft? Denn nur das, was Sie besonders gerne machen, wird auch überdurchschnittlich gut. Werden Sie sich bewusst, wo Ihre Passion liegt! Hier hilft eine klare Visionsarbeit: Was und wofür setzen Sie sich ein, was möchten Sie hinterlassen, wofür stehen Sie, was sollte später »auf Ihrem Grabstein stehen«? Ein langfristiges Bild einer Vision hilft, den Rahmen für die nahe Zukunft zu stecken. Als nächstes müssen Sie klären, welche Trends anstehen und welcher dieser Trends zu Ihnen und zu Ihrem Unternehmen passt. Wo kann Ihre Lösung, Ihr Produkt, Ihre Dienstleistung tatsächlich anderen helfen? Welches Problem löst Ihr Unternehmen? Und zuletzt, aber nicht unwichtig: Wofür können Sie bezahlt werden? Welches Geschäftsmodell kann nachhaltig Umsatz und Rendite abwerfen? Wenn Sie als Unternehmer nun wissen: was ist Ihre Passion? Was macht Ihnen Freude? Was ist Ihre Mission? Wie sieht Ihre Berufung und Ihr Beruf aus? Dann haben wir ihn: Den Nutzen, den Sie anderen bieten können. Ohne ihn ist alles nichts!

2. Der Strategische Rahmen. Salopp könnte man sagen: »Trends bestimmen unser Leben« oder »… auch das geht vorüber!« Die Wahrheit liegt sicher dazwischen. Als Unternehmer müssen Sie jedoch einschätzen können, was um Sie herum passiert, und ob Sie einem Trend folgen oder besser dem Gegentrend eine Chance geben. Im Gegensatz zu einer Mode bleibt der Trend länger erhalten und beeinflusst mit Sicherheit Ihre Kunden. Die sollen ja schließlich Ihre Lösungen und Ihre Produkte kaufen. Beispiele für solche Trends sind:

  • Lieber Convenience oder doch unverpackt und regional?
  • Steigt der Fleischkonsum in Deutschland weiter, oder ist vegan der neue Markt?
  • Wie sieht es mit Milchersatzprodukten aus?

Als große Megatrends werden unter anderem die Silver Society (also die zunehmende Anzahl wohlhabender und gesunder Rentner) und das Thema Gesundheit gehandelt. Weiterhin die Neo-Ökologie sowie Individualisierung und die Urbanisierung. Um Trends zu verstehen und einschätzen zu können, ist es wichtig, gut informiert zu sein und zu bleiben. Das können überregionale Zeitungen oder Magazine (Print oder Online) sein. Das kann aber auch genauso ein Unternehmerstammtisch und/oder der Austausch im Netzwerk sein. Je mehr Sie aus Ihrer Blase herauskommen, desto besser.

Fangen Sie ruhig klein an. Wenn Sie nun Ihre Vision und Ihren Nutzen klar im Blick haben, dann ist entscheidend, welchen Weg Sie dorthin wählen. In diesem Zusammenhang fallen schnell die Begriffe Größe und Anzahl der Produkte. Bevor man gleich einen neuen Betriebszweig gründet sollte man – wo möglich – erstmal im Kleinen testen und ausprobieren. Auch sollten Sie zunächst aus Ihrer bestehenden Kernkompetenz heraus prüfen, welche nahe gelegenen Möglichkeiten sich ergeben. So ist der Ackerbauer näher an Bewirtschaftungskonzepten für Nebenerwerbslandwirte oder der Milchviehspezialist näher an der Fütterungsberatung. Entwickeln Sie einen bestehenden Betriebszweig weiter, dann bedeutet Wachstum nicht zwingend, größer zu werden. Auch qualitatives Wachstum kann zu hohen Umsätzen und Erfolg führen, wenn Sie breit aufgestellt sind oder ein Produkt herausragender Qualität herstellen (Spezialist/ Nische). Ein Größerwerden führt automatisch zu mehr Menge und in der Folge zu Effizienzthemen im Management.

Und was passt jetzt zu Ihnen, Ihren Umfeld und Ihrer Familie? Manche Betriebe können auch mehrere Strategien parallel umsetzen und neben der reinen Kostensenker- Strategie im Ackerbau einen neuen (zusätzlichen) Betriebszweig aufbauen. Doch das sollte ganz klar zu Ihrer Vision passen. Wie sollten Sie sonst mit Begeisterung und Leidenschaft Erdbeeren im Direktvertrieb verkaufen, wenn Sie eigentlich am liebsten auf dem Trecker sitzen und Ihre Bahnen ziehen wollen? Mehrere Optionen kann man gut in einer Entscheidungsmatrix gegeneinander abwägen. Unter Betrachtung Ihrer persönlichen Stärken und Schwächen, Ihrer Passion und Ihrer Berufung muss die eigene Vision der Prüfstein Ihrer Überlegungen sein. Passt das zu Ihren Wünschen, zu Familie und Partnerschaft? Hier hilft es, auf Kopf und Bauch zu vertrauen und nicht vorschnell zu entscheiden. Denn Dinge müssen reifen. Mit den Trends im Rücken und der Betrachtung von Nutzen und Strategie können Sie schnell einschätzen, ob Ihre (neue) Idee dazu passt und ob Sie wirklich bereit sind, dafür hart zu arbeiten.

3. Loslegen. Mit diesem ganzen Rückenwind von Optionen heißt es nun, durchrechnen, aufschreiben, Dinge klären und einen Plan machen. Die Struktur eines Unternehmerhauses mit seinen Zimmern hilft, Gestaltungsbereiche und Handlungsfelder im Überblick zu behalten. Die Vision und der Nutzen, den Sie anbieten, bildet dabei den Kern. Alle Zimmer in diesem Unternehmerhaus wollen gut beleuchtet sein und als Unternehmer tragen Sie Verantwortung für alle Unternehmensbereiche. Wie ein guter Dirigent aber müssen Sie nicht selbst die erste Geige spielen oder die Trommel am lautesten schlagen. Information, Beratung und Unterstützung können Sie sich sehr wohl von außen organisieren. Neben diesem Überblick über alle Themen Ihres Tuns hilft es, sich in jedem Zimmer intelligente Ziele zu formulieren. Bis wann sollen die Vertragsentwürfe für die neue GmbH vorliegen? Wie hoch genau ist der zu beantragende Kapitalbedarf? Wie lange müssen Sie welche Stückzahl bei dem kalkulierten Preis verkaufen, um die Gewinnschwelle zu erreichen? Welche Fachkompetenz müssen Sie wann noch einbinden, damit gute Arbeitsabläufe effizient funktionieren? Die Zimmer helfen, einen Businessplan zu machen, ein klares Konzept zu verfolgen und die Wechselwirkungen der Zimmer untereinander im Blick zu behalten. Außerdem kann es eine gute Ergänzung des Controllings sein. Eine regelmäßige Überprüfung der Zimmer und ein Nachjustieren hilft, die eigenen Ziele schneller zu erreichen.

4. Veränderung wagen! Dabei müssen Sie folgende vier Leitlinien beherzigen:

  • Stärken stärken. Arbeiten Sie an dem, was Sie wirklich gut können. Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht, um Ihre Schwächen aufzulösen. Suchen Sie stattdessen jemanden, der Sie gut ergänzt!
  • Nutzen vor Profit. Lassen Sie sich nicht vom großen Geld locken. Mit einem echten Nutzen für andere, schaffen Sie Lösungen, die nachhaltig sind.
  • Geist steuert Materie. Mit guten Ideenkönnen Sie etwas bewegen. Sie sind stärker als Sie denken, und was Sie sich ausdenken, wird Wirklichkeit.
  • Pareto 20/80. Lieber ungefähr richtig als perfekt daneben: Fangen Sie an und realisiere mit 20 % Aufwand bereits 80 % des Erfolges.

All diese Erfolgsfaktoren können Sie entscheidend unterstützen. Aber Sie müssen es auch tun. Vielleicht nutzen Sie trotz der Erntezeit die nächsten 72 Stunden, um einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem Konzept zu machen. Stellen Sie dann dieses Konzept Ihrer Familie oder Freunden vor, Menschen vom Fach wie auch fachfremden. Wenn Ihre Augen dabei leuchten und Sie selbst begeistert sind, dann wird etwas daraus!

Dieser Artikel ist erschienen in DLG-Mitteilungen. Ausgabe 8/2020 vom 27.07.2020.

Der Autor

Matthias Mehner

Geschäftsleiter agrarcampus

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