Coronakrise: Bewährungsprobe für afrikanische Bauernorganisationen

von Jan Pusdrowski

Die Pandemie trifft die afrikanische Landwirtschaft hart. Durch Lockdown und Grenzschließungen brechen Absatz, Preise und zum Teil auch die Versorgung ein, zahlreiche Produzenten stehen vor dem Aus. Die Akademie engagiert sich für die Stärkung von Bauernorganisationen in Afrika, und gerade auch unter den erschwerten Bedingungen zeigen sich die Erfolge. In Kenia hat die KENAFF (Kenya National Farmers' Federation) für ihre Mitglieder z. B. einen Kommunikationsdienst aufgebaut, der Landwirte niedrigschwellig über Handy mit wichtigen aktuellen Informationen zu Corona, aber auch mit Wetter- und Marktdaten versorgt. In Burkina Faso gelingt es dem Bauern-Dachverband ROPSA durch professionelle Interessenvertretung, den Nöten und Bedürfnissen der Landwirte auch bei höchsten politischen Stellen Gehör und Geltung zu verschaffen. Ein Artikel von Fatma Bouchareb und Jan Pusdrowski
Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B
Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B

Informationen, digital aufs Handy – KENAFF startet ein USSD System in Kenia

Die globale Pandemie hat auch in vielen Ländern Afrikas für Lockdowns und Einschränkungen des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens geführt. In Kenia hatte die Regierung Maßnahmen zur Eindämmung des Virus verhängt, eine Ausgangssperre zw. 21.00 Uhr und 04:00 Uhr blieb bis heute bestehen. Außengrenzen waren ebenfalls geschlossen, allerdings ist mittlerweile ist der der internationale Flugverkehr eingeschränkt wieder möglich, wenn Reisende bei ihrer Einreise einen negativen PCR -Test vorlegen können. Die Nachwirkungen der Coronakrise sind schwer nur einzuschätzen. Klar allerdings ist, dass die Einschränkungen sich direkt auf das Marktgeschehen und damit auch auf die Landwirtschaft auswirkten.

KENAFF und COVID-19

KENAFF ist die Dachorganisation der Bauern in Kenia. KENAFFs Mandat besteht darin, die Interessen der Bauern zu vertreten, zu artikulieren, zu schützen und zu fördern sowie ihren Mitgliedern relevante Dienstleistungen anzubieten.

Dies tut KENAFF durch Lobbyarbeit (L&A) und Interessenvertretung, politische Maßnahmen und Kapazitätsaufbau. In den letzten sechs Jahren sah sich KENAFF internen und externen Herausforderungen ausgesetzt, die ihre Fähigkeit ihre Mitglieder zu vertreten und ihnen Dienstleistungen anzubieten einschränkte. Mit Unterstützung internationaler Partner hat KENAFF in den letzten 2-3 Jahren einige bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Die Andreas-Hermes-Akademie begleitet KENAFF nun seit vielen Jahren.

Durch SARS-CoV-2 wurden KENAFFs Pläne und Bemühungen für 2020 ausgebremst. So mussten die ersten Wahlen seit 5 Jahren pausieren und das gerade aufgenommene Momentum drohte zu erlahmen. Allerdings war KENAFF in der Lage ihre Arbeit im Bereich L&A über Radio, Fernsehen oder Zeitungen weiter fortzusetzen und darüber hinaus ein USSD System aufzusetzen. USSD-Systeme (Unstructured Supplementary Service Data) sind Service- und Steuerbefehle im Mobilfunknetz. USSD-Codes funktionieren bei jedem Mobiltelefon ähnlich und der Zugang zum USSD System von KENAFF lässt sich – wie bei USSD üblich – mit einfachsten Telefonen bewerkstelligen. KENAFF nutzt das System zur Verbreitung von Informationen über SARS-CoV-2, Landwirtschaft, Wetter und Marktdaten.

Der Autor

Jan Pusdrowski

Regionalkoordinator Ostafrika

USSD-System für Landwirte in Kenia
USSD-System für Landwirte in Kenia

USSD-System für Landwirte in Kenia

Durch die Entwicklung und Einrichtung eines speziellen USSD-Codes gelingt es KENAFF nun seine Mitglieder und Bauern zu erreichen, denn, das System ist offen für alle.

Für das System unterschrieb KENAFF mehrere Memorandums of Understanding mit diversen Stakeholder zur Nutzung Daten von dritten, bspw. Safaricom PLC für die Bereitstellung von Dienstleistungen, Kenya Agricultural Observatory Platform (KAOP) für den Austausch von Wetterdaten bis runter auf die Kreisebene, Kenya Agricultural and Livestock Research Organization (KALRO) für Forschungsergebnisse und Informationen zum Austausch mit Bauern und dem Agriculture Information Resource Centre des Ministeriums für Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und Genossenschaften für technische Informationen.

Über den USSD-Code *501# im Safaricom-Netzwerk kann das nun System erreicht werden. Für KENAFF ist diese Plattform ein wichtiges Tool, denn sie können auch direkt push-Nachrichten an alle registrierten Nutzer verschicken. Die Plattform selbst steigert die Attraktivität KENAFFs bei ihren Mitgliedern und bei Landwirten, die noch keine Mitglieder sind. Es wird erwartet, dass sich in etwa 2 bis 3 Jahren die Plattform amortisiert haben wird, indem KENAFF sich sowohl an Händler von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln als auch an Anbieter von Dienstleistungen für die Landwirtschaft wendet, die offensichtlich diese Datenquelle der Plattform nutzen wollen.

Das spezifische Ziel bestand darin, einen nationalen USSD-Code für die Kommunikation mit Landwirten zu einem breiten Spektrum von Themen wie Eindämmung und Management von COVID-19, Unterstützungsdienste für Landwirte, technische Beratungsdienste sowie Marktinformationen und -informationen zu erstellen und zu verwalten.

Bis zum 21.10.2020 haben sich insgesamt 21.453 Landwirte registriert. Im USSD System verteilen sich die Landwirte auf unterschiedliche Wertschöpfungsketten. Sie wurden gebeten bei der Registrierung ihre priorisierte Wertschöpfungskette anzugeben, damit sie einerseits einen besseren Zugang zu Informationen haben und andererseits KENAFF auch diese Kategorisierung nutzen kann, um top-down an alle Nutzer (oder spezifische Nutzergruppen) Informationen verteilen zu können.

Nr Wertschöpfungskette (WSK) Registrierte Landwirte
1 Milchbauern 7316
2 Geflügelbauern 3787
3 Bohnen WSK 1739
4 Mais WSK 1420
5  Ziegenbauern 1301

Auf der USSD-Plattform von KENAFF stehen insgesamt 50 Wertschöpfungsketten zur Auswahl. Dazu gehören die Wertschöpfungsketten, die von den Counties als prioritäre Wertschöpfungsketten in der Strategie zur Transformation und zum Wachstum des Landwirtschaftssektors (ASTGS, 2019-2029) identifiziert wurden, sowie Wertschöpfungsketten, die im Dokument nicht aufgeführt sind.

Starke Interessenvertretung in Burkina Faso in der Corona-Krise

Die kleinbäuerliche Landwirtschaft weltweit, besonders aber in Afrika, steht unter großem Druck. Der Mangel an zuverlässigen Strategien zur Förderung der Landwirtschaft Burkina Fasos sorgt für eine Verschärfung des Problems, denn es fehlt ein soziales Sicherungssystem für landwirtschaftliche Erzeuger und Versicherungsdienste für landwirtschaftliche Berufe. Durch Grenzschließung und Lockdowns wurde das Marktgeschehen stark eingeschränkt. Viele Produzenten haben durch den Abschwung bereits alles verloren, da sie nicht mehr das Kapital haben, um zu reinvestieren, so sind sie gezwungen ihre Betriebe aufzugeben und viele Betriebsleiter und ihre Mitarbeiter sind arbeitslos geworden. All das gefährdet die Zielerreichung des SDG2 akut, vielfach droht Rückfall in die Subsistenz

Der nationale Dachverbandes Réseau des Organisations Paysannes pour une Synergie d’Actions au Burkina Faso (ROPSA) reagiert auf die Corona-Krise mit konkreten Forderungen and die Regierung. Bislang hat die Regierung Maßnahmen getroffen, um die Händler*innen zu unterstützen: Verteilung von Nahrungsmitteln (Reis, Mais, Sorghum, Öl) sowie ein Budget von 5 Milliarden XOF zur Unterstützung der Händler*innen im informellen Sektor wurde verabschiedet. Ebenso wurden Verhandlungen mit Banken über die Rückzahlung von Krediten geführt und die Möglichkeit zur Stundung ausstehender Kredite wird eingebracht.

Bauern brauchen Unterstützung

ROPSA-B fordert hingegen die ProduzentInnen zu unterstützen, indem sie Mittel und Inputs zur Verfügung zu stellen um landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten sicherstellen funktionsfähig zu halten, damit die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht gefährdet wird. Zusätzlich sind die Gewährung von Nahrungsmitteln an ProduzentInnen, die durch die Maßnahmen alles verloren haben sowie eine Finanzierung von Aktivitäten zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Gartenbaubetrieben Teile von ROPSA-Bs Forderungen. Ebenso macht sich ROPSA für die Einrichtung eines Unterstützungsfonds für Projekte von Gemüsebauern und -bäuerinnen stark, um eine kontinuierliche Ausbildung von Gemüseanbauern sicherstellen.

Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B
Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B

Mehr Gewicht – Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B

Am 08. September 2020 führte ROPSA mit fünf Board-Mitgliedern eine Pressekonferenz in Ouagadougou durch mit dem Ziel, die Regierung über die Folgen der restriktiven Maßnahmen von COVID-19 für die Produzenten zu informieren und ihre Unterstützung zu erwirken.

Die Pressekonferenz wurde durch eine Arbeitsgruppe aus Board Mitgliedern und mit der Unterstützung eines L&A Beraters vorbereitet. Im Vorfeld dienten drei Workshops zur Vorbereitung der Arbeitsgruppe. Diese Workshops fanden zu folgenden Themen statt: (1) Datenerhebung über die Auswirkungen von COVID-19 im Agrarsektor in Burkina Faso, (2) der Ausarbeitung von Vorschlägen und Empfehlungen, die der Regierung unterbreitet werden sollen, und (nachdem die Stellungnahme zur gegenwärtigen SARS-COV-2 Prävention auf dieser Grundlage verfasst wurde) der (3) Validierung und Finalisierung des Positionspapieres.

Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B
Öffentliche Pressenkonferenz von ROPSA-B

Auf der Pressekonferenz vertrat ROPSA-B mehrere Positionen. Sie betonten, dass die Coronaschutzmaßnahmen der Regierung gegen die Verbreitung des Virus große Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Aktivitäten in Burkina Faso haben. Die Situation hat zu einem Einbruch der Absatzmärkte diverser Agrarprodukte geführt, infolgedessen die Produzenten mehrere Milliarden CFA-Francs verloren haben, weil Produkte nicht verkauft werden konnten und Märkte unzugänglich waren. Um Verluste zu minimieren, sind die Produzenten oft gezwungen, ihre Produkte zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Darüber hinaus beklagten die Board-Mitglieder Mängel bei der Umsetzung der nationalen Maßnahmen zur Verteilung landwirtschaftlicher Betriebsmittel. Als zentrale Schwäche der Umsetzung nannten sie die schlechte Qualität der Kommunikationsnetze, die es den Produzenten, insbesondere in ländlichen Gebieten, nicht erlaubten, Informationen zu erhalten. Sie beklagten weiterhin auch die Abwesenheit von gewählten Vertretern der regionalen Landwirtschaftskammern bei der Planung dieser Maßnahmen.

Die Regierung wurde in diesem Rahmen aufgefordert, die Verantwortlichkeiten zu ermitteln, um Finanzierungsmechanismen einzurichten, die den Besonderheiten der landwirtschaftlichen Sektoren angepasst sind. Es sollen landwirtschaftliche Aktivitäten wiederbelebt werden, z.B. durch die Senkung der Zinssätze für landwirtschaftliche Kredite und die Einrichtung zentraler Lager, die für die Lagerung landwirtschaftlicher Produkte ausgerüstet sind. ROPSA-B forderte zudem, dass die verschiedenen Organisationen, namentlich die nationale Landwirtschaftskammer (CNA), die regionalen Landwirtschaftskammern (CRA) und die landwirtschaftlichen Berufsorganisationen, die Verantwortung für die Verteilung der Inputs übernehmen, und damit diese Prozesse steuern und betreuen können. Ferner sollen CNA und CRAs mit den notwendigen personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die Maßnahmen und eine bessere Koordination haben laut ROPSA das Potenzial die Herausforderungen der ländlichen Produzenten zu mindern.

Auswirkung der Pressenkonferenz

Insgesamt haben 25 Medienvertreter über die Konferenz berichtet. Darunter die drei meistgehörten Radiosender in Burkina Faso: Savane FM, Oméga FM und das nationale Radio Burkina Fasos.  Auch im nationalen Fernsehen wurde bei den Sender BF1, TNB und SAVANE TV berichtet. Alle diese wichtigen Presseorgane übertrugen das Ereignis. Basierend auf durchschnittlichen Zuschaueranteilen dieser Sender, kann eine Zuschauer/Zuhöhrerzahl von fast neun Millionen (9.000.000) geschätzt werden. Zusätzlich haben auch die wichtigen Zeitungen des Ortes über das Ereignis berichtet (on- und offline). Durch diese Pressekonferenz wurde ROPSA-B in weitere Fernseh- und Radioprogramme eingeladen, wie Wat Fm am 5. Juli und 10. August 2020, 3TV am 10. August 2020, Impact TV am 22. August 2020 und weitere Gespräche und Auftritte sind geplant.

Audienz beim Präsidenten

Am 10. September 2020 hat ROPSA-B einen Brief mit der Bitte um eine Audienz beim Präsidenten von Burkina-Faso, Herrn Roch Marc Kaboré verschickt. Am 28. September wurden ROPSA-B eingeladen den Sonderberater für die ländliche Entwicklung des Präsidenten zu treffen. Die Diskussionen handelte hauptsächlich vom Krisenmanagement des Staates in Zeiten von COVID-19 mit einem Fokus auf dem Agrarsektor. Diskutiert wurden die Notwendigkeit einer agrarpolitischen Reform sowie einem Rückblick auf die vom Präsidenten geäußerten Versprechungen, wie zum Beispiel die Erleichterung des Zugangs zu qualitativ hochwertigen Inputs zu bezahlbaren Preisen. ROPSA-B machte sich ebenfalls stark für die Organisation der nationalen Bauerntage alle zwei Jahre und für verbesserte Kapazitäten der regionalen Landwirtschaftskammern (CRA) und der nationalen Landwirtschaftskammer (CNA) bei der Aufnahme und der Anmeldungen von Landwirtschaftliche Betriebe. Der Sonderberater behauptete, dass der Präsident Burkina Fasos den Finanzminister angewiesen hatte Mittel zur Verfügung zu stellen, um die wirtschaftliche Erholung der Bauern und Verarbeitern lokaler landwirtschaftlicher Produkte zu unterstützen. Er schlug daher vor, dass ROPSA-B eine Mitteilung an den Präsidenten senden sollte, in der die Verluste der Landwirte und Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte erwähnt werden und ein gewünschter Unterstützungsmechanismus vorgeschlagen wird.

Öffentlichkeit schaffen – Interessenvertretung wirkt!

Abschließend begrüßte der Sonderberater die Initiative von ROPSA-B Gespräche mit den höchsten Behörden aufzunehmen, um die Interessen der Kleinbauern zu verteidigen. Ein wichtiges Signal für Bauernorganisationen. Er hat zugesagt dem Präsidenten Bericht zu erstatten und erwartet die Vorschläge von ROPSA-B zur Unterstützung von Akteuren des Agrarsektors, die durch die COVID-19 Maßnahmen negativ wirtschaftlich betroffen sind.

Audienz beim Sonderberater für die ländliche Entwicklung in Burkina Faso
Audienz beim Sonderberater für die ländliche Entwicklung in Burkina Faso

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