Die Hofübergabe zwischen einer Eltern- und einer jungen Generationen kann ein Paradebeispiel für ebensolche Konflikte sein – kann, muss aber nicht. Wir als Andreas Hermes Akademie begleiten den Prozess des Generationenwechsels bereits seit Jahreszehnten mit unterschiedlichen Beratungskonzepten auf deutschen und österreichischen Höfen. Dabei handelt es sich bei dem Phänomen um kein deutsches oder europäisches. Auch in anderen Kontinenten kann das Aufeinanderprallen verschiedener Generationen Konflikte herbeibeschwören. Und auch hier: kann, muss es aber nicht.
Den betroffenen eine Mischung aus den richtigen Hard- und Soft-Skills an die Hand geben. Dies kann den Prozess harmonisch gestalten und zu einem Erfolg führen – für beide Generationen. Aus dieser Überzeugung und den Erfahrungen aus Deutschland heraus, entstand die Idee, ein Beratungskonzept für den Prozess der Hofübergabe für den afrikanischen Kontext zu entwickeln. Und weil wir überzeugt sind, dass Wissen und Fähigkeiten meist schon vorhanden sind, man sie sehen und wahrnehmen, haben wir nicht nur begonnen, ein Konzept für den afrikanischen Kontext in unserem Bonner Büro zu entwickeln, sondern auch unsere jahrelange erfolgreich bestehende Partnerschaft zu dem ugandischen Jungbauernverband UNYFA in Uganda genutzt.
Landwirtschaft spielt in dem ostafrikanischen Land, welches im Osten an Kenia, im Norden an den Südsudan, im Westen an die Demokratische Republik Kongo sowie im Süden an Ruanda und Tansania grenzt, eine bedeutende Rolle. So trägt der landwirtschaftliche Sektor etwa 24 Prozent zum Gesamt-BIP bei und 60 Prozent der 42 Mio. Einwohner sind darin beschäftigt. Doch verliert der landwirtschaftliche Sektor an Attraktivität für die junge Generation und trotz dem nach wie vor hohen Anteil ländlicher Bevölkerung zieht es viele Junge in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen. Die Ablehnung gegenüber Landwirtschaft als Arbeitsplatz hat verschiedene Ursachen. Das liegt zum einen an der schweren, weil häufig wenig mechanisierten Arbeit und der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Stadt. Zum anderen ist es oft schwierig, Land zu erwerben oder erben. Grund sind undurchsichtige rechtliche Rahmenbedingungen und vor allem kulturelle Bestimmungen, die den Prozess der Hofübergabe erschweren.
Genau an diesem Punkt setzt unser neues Projekt „GenX – Generationenwechsel als Chance“ an. Ziel ist es, betroffene ugandische Landwirte auf dem Weg der Hofübergabe zu begleiten und zu beraten. Das Projekt ist als Pilotprojekt konzipiert. Entwickelte Module und Abläufe sollen später auch an andere Länderkontexte adaptiert werden können. Hauptelemente des Projektes bilden drei Workshops: ein Assessmentworkshop, um Hofübergabe in Uganda zu beleuchten, Stakeholder zu identifizieren und Bedarfe der Zielgruppe zu identifizieren sowie zwei aufeinander aufbauende Beratungsworkshops. Zu diesen können sich von der Hofübergabe betroffene Landwirte anmelden. Im Laufe der beiden Workshops sollen ihnen relevante auf den ugandischen Kontext angepasste Inhalte zu Recht, Wirtschaft, aber auch zu Konfliktmanagement und Kommunikation im Prozess der Hofübergabe vermittelt werden.
Der Assessmentworkshop war für den 10.-12. März in Kampala, der Hauptstadt Ugandas geplant. Dazu standen die beiden AHA-Trainern David Bermudez und Anton Bojanovsky und ich als Programm-Managerin bereits in den Startlöchern für den Abflug. Zuvor wurden die Inhalte gemeinschaftlich zwischen den beiden AHA-Trainern geplant und entwickelt. Sowohl David als auch Anton verfügen über eine langjährige Erfahrung in der Begleitung von Betriebsübergaben in Deutschland und Österreich.
Unsere Reisepläne wurden jedoch durchkreuzt. Weniger als 24 Stunden vor dem Abflug verhing die ugandische Regierung eine zweiwöchige Zwangsquarantäne für deutsche Einreisende nach Uganda. Wir konnten die Reise nicht antreten.
Doch UNYFA wäre nicht UNYFA, wenn sie die Planung nicht kurzerhand umgestellt hätten. Das Team von zwei lokalen Coaches wurde kurzerhand um eine professionelle ugandische Trainerin aufgestockt. Der Workshop konnte stattfinden – und wurde ein Erfolg.
27 Teilnehmer aus verschiedensten Bereiche des Landwirtschaftssektors kamen zusammen: aus dem Rechtsbereich, verschiedenen Kooperativen, NGOs, Beratungsfirmen, der Politik sowie LandwirtInnnen verschiedenen Alters. Innerhalb von zwei Tagen wurde der Stand der Hofübergabe analysiert und Beratungsbedarfe ermittelt. Fazit: ganz unterschiedliche Konzepte der Hofübergabe bestehen, je nach kultureller, regionaler, aber auch persönlicher Handhabung.
So konnte sich der 27-jährige Brain Ogolo das Land seines Vaters in Norduganda zu eigen machen. Dies war zuvor in Nutzung der Tante. In beidseitiger Übereinstimmung konnte er dieses jedoch übernehmen und erhielt darüber hinaus das Land seines Onkels, dessen Kinder nicht daran interessiert waren. Oder die verwitwete Nshagano Philoena, die den 80 ha großen Familienbetrieb als Business registrieren ließ, welches nun gemeinsam von der Familie betrieben wird. Verantwortlichkeiten in Marketing, Finanzen und Management sind zwischen den Familienmitgliedern verteilt. So muss die große Fläche nicht aufgeteilt werden und die Wirtschaftlichkeit bleibt erhalten. Andere Workshop-Teilnehmer sind noch auf der Suche nach der für sie idealen Lösung, so der 56-jährige Rinderhalter Emmanuel Kyeishe. Auch wenn er den Familienbetrieb leitet, sind die Tiere noch immer im Besitz des Vaters. Auch Kyeishes Familie will die Farm als Unternehmen registrieren lassen, um so eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Und Patrick Delba Kiya, Eigentümer einer Furcht- und Kräuterfarm in Ostuganda, überlegt, wie er seine Kinder von der landwirtschaftlichen Arbeit begeistern kann, damit sie einmal die Farm übernehmen möchten. Die größten Probleme bestehen seiner Ansicht nach darin, genügend Profit aus der Landwirtschaft zu generieren sowie die dokumentierte Zuweisung von Landrechten. Im Laufe des Workshops waren sich die Teilnehmer schnell einig, dass es drei Hauptlücken in der ugandischen Betriebsübergabe gibt: vor allem rechtliches und wirtschaftliches Wissen sowie Kommunikations- und Konfliktkompetenzen sind gefragt.
Wir aus Deutschland und Österreich folgten dem Workshop gespannt und ließen uns nach jedem Workshop-Tag über den Fortschritt in einem abendlichen Skype-Gespräch berichten. Auch die folgenden Beratungsworkshops werden wir nun anders als geplant lokal durchführen und wieder „nur“ digital dabei sein. Aber wir sind überzeugt: Corona bringt an dieser Stelle sehr viel Positives hervor. Trotz der tausenden von Kilometern, die uns räumlich trennen, steht einem intensiven Austausch und einer gemeinsamen Projektentwicklung nichts im Wege. Mit ihrer jahrelangen Trainerexpertise unterstützen unsere AHA-Trainer die ugandischen Experten aus dem Rechts-, Finanz- und Kommunikationsbereich wo sie nur können: Wie lasse ich meine Farm registrieren? Wie erlange ich Eigentum? Was macht meine Farm profitabel, sodass meine Kinder es übernehmen wollen und davon gut leben können? Und wie spreche ich solch heikle Themen in meiner Familie an, löse Konflikte und schaffe Konsens?
Zu all diesen Fragen und Themen, gilt es nun Antworten zu finden, die den Landwirten schließlich auf ihrem Weg der Betriebsübergabe begleiten. Wir freuen uns darauf!
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