Jeder muss bei Null anfangen

von Matthias Mehner

Wer als nächste Generation in einen Betrieb einsteigt oder einen Betrieb übernimmt, findet zwar ein funktionierendes Unternehmen vor, muss aber trotzdem bei null anfangen. Denn alles, was er oder sie vorfindet, muss erst einmal in Frage gestellt werden. Schließlich muss das Unternehmen zum Unternehmer oder zur Unternehmerin passen und nicht andersrum. Und wenn es nicht passt, dann muss man es passend machen.

Wenn man einen Hof übernimmt, ist es wichtig, dass man sich als eigenständiger Unternehmer versteht. Und dies bedeutet, dass man seine eigenen Pläne und Vorstellungen in den Mittelpunkt stellt. Das hört sich egoistisch an, ist es aber gar nicht. Denn ein Unternehmen kann nur so gut sein wie der Unternehmer oder die Unternehmerin. Und weil jeder Mensch anders ist, muss sich der Betrieb zwangläufig verändern, wenn er eine neue Führung bekommt. Was macht es für einen Sinn, einen bestimmten Betriebszweig weiter zu führen, nur weil Opa ihn aufgebaut hat? Oder mich mit der erfolgreichen aber technischen komplexen Produktion von Biogas abzumühen, wenn ich besser an den Nachbarn verpachten kann und mich selber mehr meiner Stärke in der Direktvermarktung widme?

Balance zwischen Tradition und Erneuerung

Bei einer Hofnachfolge ist die Herausforderung der scheidenden Generation, dem Hofnachfolger oder der -nachfolgerin die Freiheit zu lassen, das Lebenswerk der älteren Generation in Frage zu stellen und vieles anders zu machen. Die junge Generation hingegen hat die Herausforderung, dem Geschaffenen Wertschätzung entgegen zu bringen und trotzdem die eigenen Wünsche zu erfüllen. Gemeinsames Interesse von beiden Generationen ist es sicherlich, dass der Betrieb so aufgestellt ist, dass er nachhaltig wachsen und gedeihen kann. Und damit dies gelingt, muss man sich nicht nur mit den Stärken, sondern vor allem erst einmal mit den Schwächen auseinandersetzen. Das Minimum-Prinzip besagt, dass die Fähigkeiten, die am geringsten vorhanden sind, den Erfolg begrenzen. Vollkommen unabhängig davon, wie groß die eigenen Stärken sind.

Schwächen erkennen und diese angehen

Die Liebig’sche Tonne macht sehr schön bildlich deutlich, was mit dem Minimum-Prinzip gemeint ist: Der Wasserstand in einem Fass wird niemals höher werden als das niedrigste Loch in der Wand. Welche der Erfolgsdisziplinen ist also am wenigsten ausgeprägt? Die Zielklarheit oder die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und zu entspannen? Das Selbstvertrauen oder die Entscheidungsfreude? Sind die Beziehungen gut und klar und ist das Image positiv? Stimmt die Motivation und sind ausreichend Mut und die Konsequenz, Entscheidungen umzusetzen vorhanden? Wo immer bei diesen Punkten der größte Schwachpunkt ist, dies ist die erste Aufgabe, um die sich der Unternehmer oder die Unternehmerin kümmern muss. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es nicht eine Frage der Größe des Betriebes ist, ob er erfolgreich ist, sondern eine Frage, wie weit der Landwirt oder die Landwirtin sich als Unternehmer oder Unternehmerin versteht und dafür sorgt, dass alle Erfolgsdisziplinen in mehr oder weniger gleichem Maß in Balance sind.

Der Autor

Matthias Mehner

Geschäftsleiter agrarcampus

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