Trainings und Workshops: Online mit Gruppen arbeiten

von Erich Ziegler

Ein Plädoyer für die Auflockerung der Online-Formate. Corona hat den Sprung in die digitale Welt enorm beschleunigt und ein wachsender Teil der Arbeit wird in Zukunft mit digitalen Medien stattfinden. Gerade Teams stellt dies vor neue Herausforderungen und daher lohnt es sich, gruppenspezifische Effekte zu erkunden, die in der Online-Arbeit auftauchen und zu lernen, sie zum Wohl der Arbeitsgruppe und der Arbeitsergebnisse gezielt anzusteuern. Da Online-Plattformen und -Werkzeuge vor allem unter Effizienzgesichtspunkten entwickelt wurden, sind sie ursprünglich nicht sehr gemeinschaftsstiftend, sondern betonen ein sachorientiertes Arbeiten. Umso notwendiger erscheint es, interaktive und auflockernde Elemente auch in diese Umgebung zu bringen, um damit den Beziehungsaspekt zwischen allen Beteiligten zu stärken. Denn Beziehungen sind die Erfolgsgrundlage effektiver Zusammenarbeit.
Schreibmaschine
Symbolbild (Photo by Patrick Fore on Unsplash)

Unserer Grundphilosophie lautet: Haltung schlägt Tool, soll heißen, dass die Person, die Ausstrahlung und Einstellung des Trainers wichtiger sind, als jede noch so ausgeklügelte Methode oder Technik. Dies gilt unabhängig vom Medium oder Raum des Zusammenkommens. Die Online-Situation birgt jedoch einige zusätzliche Besonderheiten, von denen folgend einige erwähnt werden sollen:

Die Chancen digitaler Veranstaltungen, Meetings und Trainings

  • Es geht mehr als gedacht: die anfängliche Skepsis macht bald der Erfahrung dafür Platz, wie viel vom bisherigen Repertoire doch auch digital umsetzbar ist
  • Ein weites Experimentierfeld tut sich auf. Und schon tauchen am Horizont all die zusätzlichen Möglichkeiten auf, die die digitale Welt bietet, Raum und Zeit kann viel flexibler genutzt werden, Kontakte über längere Distanzen sind müheloser knüpfbar, neue Techniken halten Einzug
  • Manche Themen gehen besser mit Distanz. Die Sacharbeit ist in einer höflich-distanzierten Umgebung naturgemäß stärker im Fokus. Wem es eher um Wissensvermittlung geht, ist hier gut aufgehoben. Und manchem Teilnehmenden bieten auch die eigenen 4 Wände oder das gewohnte Umfeld und der digitale Raum Sicherheit, so dass sie mehr aus sich herauskommen als in physischen Gruppen
  • Humor überträgt sich auch digital. Wir können uns auf unsere Teilnehmer verlassen. Sie bleiben Menschen auch im digitalen Raum und das heißt, dass sie sich ebenso gerne amüsieren, ebenso gerne lachen, wenn wir ihnen einen Anlass dafür bieten. Und Humor ist selten ein Problem, solange er nicht auf Kosten anderer geht.
  • Die Teilnehmenden werden autonomer. Der Trend zum autonomen Selbstlerner, der uns TrainerInnen und ModeratorInnen die Rolle des/der Lernbegleitenden zuweist, wird durch die online-Situation verstärkt. Sie gestalten ihr Umfeld, ihr Lerntempo und die Lernzeiten selbstbestimmter
  • Viel Flow-Zustand: Da die online-Werkzeuge für ein sachorientiertes Arbeiten gebaut wurden, ist es nicht verwunderlich, dass sie zu mehr Flow-Zuständen der Beteiligten führt, also jenem selbstvergessenen Zustand, der tief in das zu bearbeitende Thema führt und den Beziehungsaspekt in den Hintergrund rücken lässt, aber auch die Selbstwahrnehmung schwächt.

Welche Herausforderungen tauchen auf?

  • Die üblichen körpersprachlichen Begleitsignale können kaum noch wahrgenommen werden, wenn nur noch der Oberkörper und dann oft auch noch in einer kleinen 3×5 cm Kachel zu sehen ist
  • Die soziale Kontrolle nimmt ab, so dass Teilnehmer sich viel leichter aus dem aktuellen Geschehen ausklinken können und der Reiz der Ablenkung besteht permanent.
  • Bewegung ist auf das Tippen von Chat-Mitteilungen reduziert
  • Das unmittelbare Feedback für Emotionsäußerungen fehlt. Weder die/der SeminarleiterIn/ModeratorIn noch die Teilnehmenden bekommen viel davon mit, wie es den anderen gerade geht und wo sie im Gruppengefüge stehen
  • Zuviel Flow-Zustand führt zu einem mangelnden Körperbewusstsein, so dass zu wenig Pausen gemacht werden (Computerspiel-Daddeleffekt), die aber für die Integration des Gelernten sehr wichtig sind.

Daraus resultiert folgerichtig, dass sich unsere Veranstaltungen  im digitalen Raum verändern werden. Schon jetzt ist der Trend zu beobachten, dass die Veranstaltungsdauer kürzer und aufgeteilt in kleinere Einheiten (fraktionierten) verlaufen werden und die Vielfalt der Inhalte wachsen wird. Terminanfragen und Aufträge kommen häufiger mit weniger Vorlauf, so dass die Vorbereitungszeit knapper wird, aber nicht minder aufwendig! Durch das Internet ist Wissen unendlich verfügbar, das heißt, dass kein/e TrainerIn ModeratorIn heute viel mehr weiß,  als Google und Co. und natürlich können sich die Teilnehmenden ebenfalls über alles informieren. Richtigkeit und Aktualität sind noch viel zwingender bei fachlichen Inputs. Die neuen technischen Möglichkeiten und Anforderungen kosten zumindest anfangs sehr viel Extraenergie und Zeit und lenken von den Themen ab.  Daher sollte die Technik reibungslos laufen, damit alle sich auf das miteinander arbeiten konzentrieren können. Die Online-Situation ist einerseits intimer durch das meist private Umfeld der Teilnehmenden und gleichzeitig distanzierter durch die fehlende körperliche Nähe. Mit dieser paradoxen Situation müssen wir erst lernen, angemessen umzugehen.

Was können nun auflockernde Elemente unter diesen Umständen leisten, damit das Lernerlebnis motivierend und unterstützend gestaltet werden kann?

  • Kennenlern-Aktivitäten, Energizer und Separatoren können gerade in Anfangssituationen viel von der Befangenheit lösen, die sich u.a. durch die anfängliche Sprach- und Kontaktlosigkeit äußert
  • Sie können den Einstieg in die Technik erleichtern, in dem spielerisch mit den technischen Eigenheiten und Möglichkeiten umgegangen wird
  • Sie bringen Humor und damit ein wenig Emotion in die sonst so sachbetonten online-Veranstaltungen
  • Überhaupt emotionalisieren sie die verhältnismäßig spröde Umgebung positiv und wirken dadurch lernfördernd.Das gemeinsame Minierlebnis ist beziehungsfördernd.
  • Sie wirken gegen die schleichende Leistungsverdichtung und verschaffen den Teilnehmenden eine geistige Verschnaufpause
  • Sie bringen oft Bewegung, so dass die Balance zwischen Kopflernen und Körperlernen wieder etwas ausgeglichener wird.

Tipps

Aus unserer Online-Erfahrung möchten wir einige Tipps mit auf den Weg geben:

  • Zumindest anfangs kannstst du gut mit einer/m Co-ModeratorIn arbeiten, die/der dir das Technische und Organisatorische abnimmt und dir dadurch hilft, dich auf die Gruppe und auf die Inhalte zu konzentrieren. Bei größeren Gruppen ist es meist unerlässlich
  • Baue viele Kleingruppen mit Gelegenheit zum Plaudern neben der Aufgabe in dein Programm ein. Du hast die Zeit, denn weniger ist mehr, da die Teilnehmenden sowieso nur einen kleinen Teil dessen behalten, was du ihnen geboten hast
  • Da Pausen so wichtig für die Integration und damit für die geistige Leistungsfähigkeit sind, achte sehr auf angemessene Pausen
  • Passe die Aktivitäten an die Gruppe und auf die Situation an, vereinbare ggf. mit der Gruppe ob und wie viel Erholung sie zwischendurch braucht.

Im Wesentlichen bleibt wie eingangs erwähnt, der Beziehungsaufbau auch im digitalen Raum eine zentrale Aufgabe der/des TrainerIn oder ModeratorIn. Wenn die Veranstaltung im Geiste „von Menschen für Menschen“ gehalten wird, lassen sich alle kommenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen.

Von Katrin Mehner und Erich Ziegler.

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